Vielleicht beginnt diese Geschichte ja damit, dass ich vor einigen Jahre bei einer Bioweinverkostung Christoph und Isabella Wiesner kennengelernt habe, bei der sie den teilweise recht säurebetonten Gewächsen mit einem Sortiment fantastischen Mangalitzaspecks Unterlage boten und ich im Weiteren nicht nur ein loyaler Fan dieses Specks, sondern auch der Würste, des Frischfleischs, der freilaufenden Enten, Hühner und Truthähne sowie des Ehepaars Wiesner selbst wurde.
Vielleicht beginnt die Geschichte aber auch damit, dass ich mich in irgendeiner Wirtshausdiskussion einmal zu oft die Meinung vertreten hörte, dass jeder Mensch, der Fleisch isst, sich wenigsten einmal bewusst mit dem Schlachtvorgang konfrontiert haben sollte; eine so hochherzige wie, finde ich, einleuchtende philosophische Forderung, der Folge zu leisten ich allerdings irgendwie doch nie so recht Zeit gefunden habe.

Außerdem konnte ich ja, und vielleicht beginnt diese Geschichte ja auch hier, immerhin darauf verweisen, als Kind im großelterlichen Tullnerfelder Umfeld Schlachttage miterlebt zu haben und im Besitz einschlägiger Erinnerungen zu sein: an das ratschende Geräusch, mit dem den flaumigen Kaninchen das Fell abgezogen wurde; an das Gefühl, das deren warme, glatte Lebern beim In-die-Küche-tragen auf meinen Handflächen hinterließen; an geköpfte Hühner, welche auf ihrer letzten Runde durch den Hof blutrote Muster auf den Beton sprenkelten, die mich damals noch nicht an Hermann Nitsch erinnerten; an den befremdenden Anblick meiner Oma, die zum Darmputzen resolut den Schließmuskel über einen in den Hof weisenden Messinghahn zog und das Wasser aufdrehte; an das Umrühren im großen Emailweitling mit Leberwurstmasse; an die dazugehörigen rustikalen Tetschen, wenn ich zu viel herausnaschte und, natürlich, an das gellende, nervenzerfasernde und irgendwann abrupt endende Panikquietschen der todgeweihten Sau.

Geendet hat all das jedenfalls damit, und das ist ebenfalls ein möglicher Anfang der Geschichte, dass ich mich im milchblauen Frühlicht eines anbrechenden Frühlingstags leicht übernächtig hinter dem Steuer eines auf der traumhaft leeren Autobahn Richtung Hollabrunn fahrenden Autos wiederfinde, während Ingo Pertramer seine teure Profikamera auf mich richtet und wissen will, welche Gefühle die anstehende Schweineschlachtung, bei der ich assistieren werde, denn so bei mir auslöse. Gute Frage. Ich würde mich, statt sie zu beantworten, gerne auf den Verkehr konzentrieren, aber da ist keiner.

Am Hof zeigt mir dann, nach ein, zwei Zeitschinde-Zigaretten, Christoph Wiesner die drei Todeskandidaten des Tages. Eigentlich mag ich Schweine gern, ich habe ja sogar einen Bullterrier, und diese Tiere sind bekanntlich, bis auf die nach unten statt nach oben weisende Nasenspitze, anatomisch von größeren Ferkeln eigentlich nur durch das Fehlen von Hufen und Ringelschwänzen zu unterscheiden.

Ich luge durch das Gitterfenster des Anhängers, in dem das Trio seit ein, zwei Tagen vor sich hindöst; drei blondlockige, langwimprige Schweinephysiognomien erwidern mit gelassener Neugier meinen Blick. Die feuchten Rüssel zucken schnuppernd, die Ohren schnippen schlappend nach Fliegen, die Bäuche heben und senken sich im Atemrhythmus, eins lässt einen fahren: keine Frage, die leben noch.

Natürlich habe ich es mir eigentlich leicht gemacht. Ich habe mich schließlich nicht undercover in die verkachelte Fließbandhölle eines Industrieschlachthofes eingeschlichen, die Tiere befinden sich in vertrauter Umgebung, blicken auf volle zwei Jahre des schönsten Schweinelebens
zurück und ihnen wird dieses – bald schon, sehr bald – so stressfrei wie irgendwie möglich ausgehaucht werden. Eigentlich bräuchte mir also gar nicht mulmig zu sein.
Einmal davon abgesehen, so rede ich mir ein, dass die sowieso, mit oder ohne mein Hiersein geschlachtet würden.

Und einmal davon abgesehen, dass schließlich ich selbst immer wieder eine besonders gelungene Fleischzubereitung mit dem kennerischen Genussseufzer kommentierte, dass das betreffende Tier „nicht umsonst gestorben“ sei.

Und einmal ganz davon abgesehen, dass ja nicht ich ausgesucht habe, welche Tiere heute in welcher Reihenfolge drankommen, ich also eigentlich gar nichts für irgendwas kann, echt nicht. Doch ehe meine Beklommenheit endgültig in Selbstmitleid umschlagen kann, klettert nun glücklicherweise der Bauer in den Wagen.

Es gibt ein wenig Gescharre und ungehaltenes Gegrunze, als eines der Tiere mit einem Gitter von den beiden anderen getrennt wird. Die beiden zurückbleibenden trollen sich, das isolierte bockt ein wenig, lässt sich aber von der begütigend streichelnden Riesentatze seines Schlächters beruhigen. Die andere Riesentatze greift nach draußen, nach dem bereitgehaltenen Bolzenschussgerät, die Sau dreht sich leicht ratlos mal da-, mal dorthin, die Streichelhand streichelt, die Schusshand nimmt zwei, drei Mal neu Maß, dann ein nicht besonders lauter, aber sehr artikulierter Knall, und das Tier fällt mit grotesk unnatürlicher Plötzlichkeit in sich zusammen.

Jetzt erst bemerke ich, dass ich mich die ganze Zeit leicht verkrampft gegen das herzzerreißende Panikquietschen gewappnet hatte, und dass dieses tatsächlich ausgeblieben ist.
Kurz durchflutet mich Erleichterung, aber schon klopft die Hängerklappe mahnend auf den Boden des Hofes, und mir fällt wieder ein, dass ja jetzt ich dran bin.

Als ich um die Anhängerecke trete, kommt auch schon das sich seitlich überschlagende Schwein die Schräge heruntergepoltert, landet am Boden und: zuckt.

„Natürlich zuckt das noch“, rufe ich mir sachlich ins Gedächtnis, „das sind nur die Nerven.“ „Das sind nur die Nerven“, bestätigt der Bauer, der diesen Gedankengang offensichtlich irgendwo in meinem Gesicht abgelesen hat.

„Genau“, sage ich, während die Schweinebeine in die Luft treten, „die Nerven. Sowieso.“
Wir legen je eine Schlinge um je ein zuckendes Hinterbein und schleifen das Tier hinüber zum Brühplatz. „Irgendwie wirken tote Tiere einfach überzeugender, wenn sie sich nicht mehr bewegen“, denke ich. Offenbar spielen mir die Nerven einen Streich.

Herr Wiesner kniet sich nun routiniert auf den Schweineleib und verabreicht dem Tier einen nüchternen Stich in die Gurgel. Ich halte die Schüssel unter die Wunde und werde aufgefordert, sofort mit dem Rühren zu beginnen. Irgendwo ist Ingo mit seiner Kamera.

Das Blut schießt mir in einem dicken, schockierend heißen Strahl über die Hände, mit stupidem Eifer konzentriere ich mich auf mein rhythmisches Planschen. Dennoch bilden sich einzelne gestockte Klumpen, die immer wieder an meine Hände stoßen wie gallertige Fische.

Als der Blutstrahl nachlässt, hält der Tag eine weitere kleine Lernerfahrung für mich bereit. Ich wusste bisher nicht, dass man zu diesem Zeitpunkt den Vorderlauf des Schweines zu bewegen beginnt, um so viel Blut wie möglich aus dem Schwein zu fördern. Es sieht aus wie das Bewegen eines Pumpenschwengels und funktioniert offenbar auch ähnlich.

Das Schwein ist mittlerweile auch nach meinen Großstädterkriterien tot, das heißt, es liegt mit gebrochenen Augen da und regt sich nicht mehr.

Trotzdem zuckt etwas in mir zusammen, als das bepelzte Tier wie ein Müllsack ins Brühwasser geworfen wird und eine Art klobiger mechanischer Kamm ihm rotierend das Haarkleid vom Leibe zu watschen beginnt. Ich habe eine Art proust’sches Geruchserinnerungserlebnis, die Rolle der in Tee getunkten Madelaine übernimmt der jetzt aufsteigende, leise mit Blutaroma unterlegte dampfige Geruch heißer Schweinehaut. Literarisch ist das wegen Redundanz eher unergiebig. Was hat man schon davon, an eine im Kindesalter miterlebte Schweineschlachtung erinnert zu werden, wenn man gerade mitten in einer Schweineschlachtung ist?

Die mittlerweile kahle, bleiche Sau wird an der Staplergabel des Traktors hochgezogen und erinnert nun endlich, wie sie da kopfunter hängt, kaum noch an das wollige Tier, dessen Sterben ich gerade mitangesehen habe. Sie sieht einfach aus wie ein geschlachtetes Schwein.

Ich bekomme etwas in die Hand gedrückt, das aussieht wie eine von einem Haken gekrönte Glocke ohne Schwengel, und mache mich nach kurzer Unterweisung daran, mit Hilfe dieses Geräts die restlichen Borsten vom Schweineleib zu schaben.

Als ich gerade beginne, mich in die meditative Gleichförmigkeit dieses Tuns zu versenken, tritt der mit einer Zange bewehrte Christoph Wiesner hinzu und beginnt unter grässlichem Knirschen, die Hufe abzureißen. Ich nehme das mit dem gleichen, leicht tauben Gleichmut zur Kenntnis, mit dem man nach einem Autounfall ohne Personenschaden am Straßenrand herumsteht.

Nun steht das Öffnen und Ausnehmen des Tieres an, ein Vorgang, den die sichere wiesner’sche Hand dankenswerterweise völlig einleuchtend, folgerichtig und simpel wirken lässt.

Ein langer Schnitt, die Bauchdecke öffnet sich und enthüllt das vielfarbig glänzende, schweinisch duftende Innere, ein bestechend logisches, weich gefälteltes Durcheinander.

Zuerst kommt – Achtung, voll! – die Blase heraus, dann nach und nach der Rest. Ich lege Leber, Niere, Lunge et cetera in die bereitstehenden roten Plastikboxen, alles greift sich vertraut und doch aufgrund der immer noch vorhandenen Körperwärme irritierend an.

Und wieder gibt es etwas zu lernen, zumindest wenn man noch nie zuvor mit einer Säge ein Rückgrat der Länge nach durchtrennt hat.

So viel sei verraten: Es ist schwieriger als es aussieht, wenn man es von jemandem gezeigt bekommt, der’s kann. Irgendwo auf Höhe der Schulterblätter fällt mir wieder ein, wie sehr ich den Werkunterricht in der Schule gehasst habe, irgendwo mitten im Schädel muss ich dann aufgeben. Ich bin schief gekommen und werde verdientermaßen ermahnt, weil ich das Hirn angedepscht habe.

Dann zeigt mir Christoph, wie man mit blanken Tatzen den weichen Schmer aus den Schweinehälften schert. Ich ringe mir einen Scherz darüber ab, dass das sicher gut für die Haut ist, er nickt bestätigend und erläutert, dass seine Hände während der Schlachtsaison die Glätte eines Babypopos hätten.
Allerdings könnte man aus jeder seiner Hände zwei Babypopos anfertigen. Als ich mir dann die Hände wasche, ist der metaphysische Transformationsprozess des atmenden, lebendigen Tiers in zwei separate, appetitlich rot und weiß leuchtende Schweinehälften abgeschlossen.

Ich bekomme einen Schnaps, den ich brauchen kann, beginne Hoffnung zu schöpfen, dass ich entgegen meiner zwischenzeitlichen Befürchtungen in ein paar Stunden doch Appetit auf Schweinernes haben könnte und beglückwünsche mich dazu, das Ärgste jedenfalls hinter mir zu haben. In diesen schönen Gedanken platzt der mittlerweile wieder mit dem Bolzengerät adjustierte Christoph und unterbreitet mir den Vorschlag, die zweite Sau doch selbst zu stechen. Ich blicke sinnend in mein vorschnell geleertes Schnapsglas.

Ingo schlendert zu seiner Kamera.

Der Eindruck, den das Grunzen und Trappeln, der trockene Knall, der zappelnde Sturz und das abschließende Davonschleifen auf mich machen, ist nicht mehr so farbenprächtig überwältigend wie beim ersten Mal, gelassene Routine sieht aber doch anders aus.

Zumal mich jeder Schritt, den wir das Tier Richtung Brühbottich ziehen, auch dem Moment näherbringt, in dem ich das Messer in die Hand gedrückt bekommen werde.

In mir regt sich das Verlangen, irgendetwas Tiefgründiges über Leben und Tod, Werden und Vergehen zu denken, tatsächlich aber denke ich nichts Komplexeres als: „Oida.“

In einer Verfassung, die irgendwo zwischen Gelehrigkeit und Willenlosigkeit liegt, kniee ich mich auf die Sau, nehme eine Vorderpratze in die eine und das Stichmesser in die andere Hand, wobei ich versuche, mich in meiner Konzentration nicht von der überraschenden Wahrnehmung beeinträchtigen zu lassen, wie sehr der lebenswarme Schweinekörper haptisch dem eines großen, struppigen Hundes gleicht.

Ich bekomme gezeigt, wo – hier genau über dem Brustbein – und wie – gerade reinstoßen, und wenn man am Rückgrat ansteht, ein seitlicher Schnipper Richtung Schneide – der Stich ausgeführt wird. Mit einer merkwürdigen Mischung aus Apathie und alarmierter Überwachtheit folge ich den Anweisungen. Zum Durchstoßen der Haut ist ein bisschen Druck notwendig, in der Sekunde, wo man durch ist, knirscht die Messerspitze auch schon gegen die Wirbel, den Schnipper muss ich wiederholen, weil nicht gleich Blut kommt, und als der Strahl nachlässt, beginne ich wie ein mechanisches Aufziehspielzeug mit dem Haxen zu pumpen.

Dann finde ich mich dabei wieder, wie ich, an eine Zigarette festgeklammert, mein Werk betrachte und diffuse Überlegungen darüber anstelle, dass es schon einen Grund hatte, dass die alten Naturvölker sich Dank-, Entschuldigungs- und Abschiedsrituale rund um die Jagdbeute ausdachten.
Innerlich fühle ich mich zu einer trüben Emulsion auf­gewühlt, aber langsam beginnen sich die Trübstoffe wieder zu leidlich sauberen Sedimentschichten abzusenken.

Ich habe gerade, nach langen Jahren des mal mehr, mal weniger unbeschwerten Fleischverzehrs, meine erste Sau gestochen. Bist du deppert.

Das Zerlegen ist dann ein Kinderspiel, zumindest aus emotionaler Warte. Die drei Schweine von heute wären noch zu frisch, wir halten uns an ein Exemplar, das seinen letzten Weg schon vor ein paar Tagen angetreten hat. Das Ganze ähnelt erholsamerweise mehr einem Fundamentalkochkurs als einer metaphysischen Grenzerfahrung. Aha, hier, hier und hier setzt man also das Messer an, um das Gelenk zu trennen, aha, mit diesem Schaufengriffdingsbums löst man also die Rippen aus dem Fleisch, zerteilt wird längs der Bindegewebslinien, also von hier nach hier, das ist der Schopf, so löst man den Lungenbraten aus, da hinten ist das Frikandeau und, da schau her, auf der Innenseite der Hinterstelze kann man ein kleines Schnitzel vom Beckenknochen lösen, die sogenannte Fleischhackerjause, zu deren Gewinnung man keine weiteren Zerlegeschritte vornehmen muss.
Den Speck kann man übrigens, erfahre ich, wenn er gut genug ist, sogar roh essen.Ich versuche es und bestätige, dass dieser Speck so gut ist, dass man ihn tatsächlich roh essen kann.

Dann löse ich weisungsgemäß mit dem Messerrücken und vor Konzentration herausstehender Zungenspitze die Fleischhackerjause vom Bein und darf sie zur Belohnung behalten.

Die für mich zurückbehaltene halbe Sau ist nun vollständig zu handlichen, vertraut wirkenden Fleisch- und Speckportionen abstrahiert. Obwohl ich die Hälfte der Zeit nur zugeschaut habe, lasse ich mich wohlig in das warme Gefühl gleiten, ordentlich was geschafft zu haben.

Ein leicht hysterisch übersteigertes Gefühl solider Bodenständigkeit und neugewonnenen handwerklichen Expertentums erfüllt mich. So ist das also mit dem Fleisch, wenn es so ist, wie es sein soll.

In der Küche bin ich dann wieder auf einigermaßen vertrautem Gelände. Nicht, dass ich alle Tage Blutwurst fabrizieren würde, aber das Prinzip ist mir geläufig.

Schmalz auslassen ist auch keine Premiere, obwohl weder das schlicht perfekte, kernig-schneeweiße Fett als auch der beim Schmelzen aufsteigende, in keiner Nuance an Fritteuse erinnernde Duft bei konventionell oder auch nur weniger konsequent erzeugtem Fleisch zu haben ist. Beim Hirn mit Ei, einem ohnehin sowohl durch extreme Feinheit wie extreme Deftigkeit definierten Gericht, kommt durch die am Hof zufällig gerade überreichlich vorhandenen Wachteleier ein Hauch von Luxus der alten Schule dazu. Es gelingt pefekt cremig; mit einer Mischung aus wohlmeinendem Mentorentum und Schadenfreude schiebe ich dem bisherigen Innereien-Verweigerer Ingo seine erste Gabel davon in den Mund und bedaure umgehend, dass er die Kamera hat und nicht ich.

Allmählich treffen Gäste ein – schließlich sollte sich an einem Schlachttag idealerweise ein größerer Haufen Menschen die Wänste mit den frischen Sachen vollschlagen –, die ersten bekommen ebenfalls noch Hirn, einige ebenfalls zum ersten Mal.

Als die Nieren – geröstet, mit Zwiebeln, einem Schuss Weißwein und Knoblauchsenf – fertig sind, wimmelt die Küche von Kindern zwischen Drei und Dreizehn.

Entgegen aller elterlichen Prognosen verschlingen sie die knackig zarten Nieren mit jauchzendem Enthusiasmus, und sogar Ingo nimmt noch einen zweiten, dritten und vierten Löffel. Dem mit Essig und Öl angemachten Herz-Zunge-Salat ergeht es ganz genauso.

Ein letztes Mal darf ich mich heute noch blamieren: Den frisch mit Blut- bzw. Leberwurstmasse gefüllten Wurstdarm mit einer Hand zu einer Schnecke aufrollen, während man mit der anderen eine konstante und gleichmäßige Füllung ohne Lufteinschlüsse gewährleistet, erweist sich als nicht viel einfacher als in leicht angetrunkenem Zustand mit einer Hand regelmäßig auf den eigenen Kopf zu klopfen und die andere gleichzeitig gegen den Uhrzeigersinn vorm Bauch kreisen zu lassen.

Rechtzeitig zum Fertigwerden der mit Zwiebeln und Äpfeln gerösteten Leber trifft noch eine Entsatz-Lieferung von zehn gekühlten, gemischt sortierten Kartons des Bioweinguts Wimmer-Czerny ein. In die allgemeine Freude, dass das deutlich mehr ist als vernünftigerweise irgendwie vertilgbar, mischen sich erste Bedenken, ob das denn nicht auch für die gewaltige, zu einem sanften Hügelzug aufgeschichtete Leberplatte zutrifft.

Ähnlich lautende Befürchtungen begleiten wenig den Auftritt des mächtigen Blunzengröstl-Massivs (hergestellt ohne Umweg über die Wurst, direkt aus der Blunzenmasse), aber zu guter Letzt ist, weil zwar Hunger der beste Koch, die Gier aber ein Hund ist, alles inklusive der Anstandsresterln rückstandslos verputzt.

Friedvolle, von dezenten Verdauungsgeräuschen unterlegte Stille legt sich über die ein wenig apathisch gewordene Tischgesellschaft.

Als der Hausherr jedoch zur Speckbodenbesichtigung ruft, kommen doch beinahe alle nochmal auf die Beine und verschaffen sich mit dieser meterlangen Wanderung ein wenig Appetit auf die abschließende Speckverkostung.

Es war, alles in allem, ein Bacchanal. Geblieben ist mir, abgesehen von einem farbenfrohen Satz Erinnerungen, einem schwarzweißen Satz Fotos, einem Trumm Speck und der am Folgetag verzehrten Fleischhackerjause, die Überzeugung, dass es tatsächlich sinnvoll, bereichernd und persönlichkeitsbildend ist, sein Stück Fleisch zumindest einmal noch leben und sterben gesehen zu haben. Man wird, wenn die Umstände stimmen, trotzdem nicht zwangsläufig Vegetarier. Aber es schult den Respekt. Und macht es schwerer, sich aus Wurschtigkeit mit irgendwelchen Schweinereien zufrieden zu geben.

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