Wirtschaftsprozess-Berichterstattung  ist inzwischen wohl nicht nur mir ein ganz selbstverständlicher Baustein des Alltags geworden. Aufstehen, grantig sein, Duschen, Zähne putzen, Kaffee, weniger grantig sein, Zeitung oder Internet, Wirtschaftsprozess-Berichterstattung.

Mit der leichten Hirntaubheit des Morgenmuffels überfliegt man, was gerade im Meinl-Prozess nicht weitergeht, welche Frisur Mr. Unschuldsvermutung gerade trägt oder schnalzt anlässlich der Ankündigung, dass der Libro-Prozess nach knapp zehnjähriger Anlaufzeit demnächst tatsächlich eröffnet werden soll, geniesserisch mit der Zunge.

Gelegentlich wird man, trotz aller Gewöhnung an den österreichischen Weg, doch kurz stutzig, etwa wenn man in der Presse nachlesen kann, dass der offenbar bienenfleissige und bestens eingearbeitete Staatsanwalt des Buwog-Prozesses vorigen Dezember von seiner Arbeit abgezogen wurde, mit der vom Justizministerium verbreiteten Begründung, er habe auf eigenen Wunsch hin zufolge langfristig geplanter beruflicher Veränderung eine mit allgemeinen Strafsachen befasste Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien übernehmen wollen.
Der Mann freute sich über diesen seinen eigenen Wunsch offenbar so nachhaltig, dass er drei Monate Urlaub nahm, die Staatsanwaltschaft verliess, in einer Anwaltskanzlei anheuerte und heute jedes Interview zur Causa verweigert.

Liest man beim Frühstück online, so findet man mit Glück zwei, drei Klicks später auch schon ein Interview mit der Justizministerin, in dem sie punkto Weisungsrecht sagt: Unser System ist ein gutes, es ist sehr transparent und schützt vor Missbrauch - und kann prompt, allen Morgengrants ledig, ein wenig in seinen Kaffee kichern.
Interessant ist aber auch, was man alles nicht liest.

Zwar erscheint ab und zu, hie und da noch etwas darüber, dass in Tirol seit den fünfziger Jahren - offenbar in einer intuitiven Vorwegnahme des Mantras "Mehr Privat, weniger Staat" - so systematisch wie gesetzwidrig Gemeindegründe an private Agrargemeinschaften verteilt wurden. Mit einer Gesamtfläche, auf der man fünfmal Wien unterbringen könnte, im Wert von mindestens 2 - 3 Milliarden Euro und mit der Konsequenz, dass die betroffenen Gemeinden offenbar bis heute noch jährlich um 30 - 50 Millionen Euro geprellt werden.
Kein Pemmerl, möchte man meinen. Gute Geschichte.  Aber irgendwie will sie nicht und nicht in die Buwog-Bawag-Liga aufsteigen.

Natürlich ist man als Connaisseur der österreichischen Wirtschaftsprozess-Berichterstattung nicht auf ausgerechnet auf diese Story angewiesen, es gibt ja sonst eh genug. Aber nett wär‘s schon, irgendwann, so in 10, 15 Jahren, nachlesen zu können, was aus der Sache eigentlich geworden ist. Vielleicht ist bis dahin ja auch schon der Libro-Prozess abgewickelt.

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